Mit Infrarot zu Erneuerbaren

Hybridlösungen mit Infrarotheizungen

12. Oktober 2023
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Nach Auffassung der IG Infrarot ist die Zeit reif für Gebäudekonzepte mit Infrarotheizungen. Ausgewählte Beispiele, wie die Wohnküche im Projekt K76 in Darmstadt, bestätigen ihre Praxistauglichkeit.

 

Infrarotheizungen können den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen in Bestandsgebäuden beschleunigen: Während IR-Paneele die Spitzenlast abdecken, übernimmt die Bestandsheizung die Grundlastversorgung. Optional kann das bei der energetischen Sanierung eingesparte Geld in eine Photovoltaikanlage und gegebenenfalls in einen Stromspeicher investiert werden.

 

Wer im Internet nach einer Einschätzung der Chancen von Infrarotheizungen (IR-Heizungen) sucht, wird mit der gesamten Bandbreite an Urteilen – von top bis flop, von gewaltig nachhaltiger Lösung bis vorübergehende Modeerscheinung – konfrontiert. Die Stiftung Warentest betrachtet Infrarotheizungen bislang eher skeptisch und bezeichnet sie als „Notlösung ohne Sparpotenzial“. Fachverbände wie der VDE warnen sogar vor Stromausfällen, ausgelöst durch zu viele Elektrodirektheizungen.

 

Auch der Autor des Artikels war durchaus skeptisch gegenüber Elektroheizungen jeglicher Art eingestellt, bis er die von der IG Infrarot Deutschland veranstaltete Konferenz „Infrarotheizung im Wohnungsbau“ besucht hat. Es spricht für die Glaubwürdigkeit des Veranstalters, seine Konferenz im Mai 2023 mit der eher nüchternen Einschätzung von Professor Bert Oschatz vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden (ITG Dresden) begonnen zu haben.

Perspektive unsicher

Vor dem Hintergrund des geplanten Gebäudeenergiegesetzes mit der zentralen Vorgabe eines 65-prozentigen Anteils an erneuerbaren Energien bei künftigen Heizsystemen, stellte Oschatz die Vor- und Nachteile der Infrarotheizung gegenüber. Für eine zukünftig wichtigere Rolle sprechen seiner Ansicht nach folgende Fakten:

  • das klimapolitische Aus für fossile Wärme,
  • die niedrigen Investitionskosten bei einem gleichzeitig geringen Installationsaufwand,
  • der geringe Wartungsaufwand,
  • die lange Lebensdauer,
  • die gering anfallende graue Energie bei der Herstellung der Heizpaneele,
  • die sinkenden Kosten für Photovoltaikanlagen und Stromspeicher,
  • der steigende Anteil erneuerbarer Energien im Strommix und die sich daraus ergebenden sinkenden Kosten (Anmerkung: Der US-amerikanische Ökonom und Buchautor Jeremy Rifkin prognostizierte bereits vor fast zehn Jahren die „Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ mit Strom zum Nulltarif etwa ab dem Jahr 2040),
  • der verbesserte bauliche Wärmeschutz und
  • die Möglichkeit, die 65-Prozent-Vorgabe erfüllen zu können (verbunden allerdings mit hohen Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz). Gegen eine schnelle Einführung sprechen
  • die aktuell hohen Energiekosten,
  • das schlechte Image von Stromdirektheizungen,
  • das typische Lastprofil von Photovoltaikanlagen mit einem Leistungstal im Winter bei gleichzeitig hohen Wärmeanforderungen,
  • die fehlende belastbare Bewertung von Infrarotheizungen bezüglich Normung, Tests und Verbrauchskennzeichnung,
  • der starke Wettbewerb zu staatlich geförderten Wärmenetzen und Wärmepumpen und
  • die stärker auf Primärenergie und Treibhausgase fokussierten Neubauanforderungen im derzeitigen Gebäudeenergiegesetz, die geringere Anforderungen an die Dämmung mit sich bringen.

Bei der Diskussion stellte sich heraus, dass der Anteil reiner Elektroheizungen im Neubaubereich derzeit bei unter zwei Prozent liegt, bei Bestandsgebäuden unter einem Prozent. Für eine wissenschaftlich fundierte Aussage, spricht für eine offizielle Empfehlung, dürfte die Anzahl zu gering sein. Mehr noch: Reine Elektrodirektheizungen lohnen erst ab dem KfW-Effizienzhausstandard 40 Plus, lautete der allgemeine Tenor.

Klare technische Option

Rein technisch gesehen stellt ein hybrides Heizsystem, bestehend aus einer bereits vorhandenen wasserführenden Heizung und einer nachgerüsteten Infrarotheizung, eine Option dar, um ein Bestandsgebäude schrittweise von einer Gas- oder Ölheizung auf eine Warmwasser-Wärmepumpe umzurüsten. Unter einem rein technischen Aspekt braucht es bei dieser Vorgehensweise keine nachträgliche Dämmung des Gebäudes.

 

Das Ergebnis der Studie „Potenzialbewertung von Infrarotheizungen als Spitzenlastabdeckung“ der Technischen Universität Dresden, die Professor Joachim Seifert präsentierte, gilt in der IR-Branche deshalb als wichtiger Meilenstein, um die technische Machbarkeit einer leistungsminimierten Niedertemperatur-Warmwasserheizung mittels Wärmepumpe und bedarfsgeführten Infrarotpaneelen nachzuweisen. Seifert betonte mehrfach, dass wirtschaftliche Kriterien bei seiner Bewertung keine Rolle spielten.

 

Als Vorteil der Kombination aus Wärmepumpe für die Temperaturhaltung, beispielsweise 15 Grad Celsius Raumtemperatur, und schnell reagierenden, bedarfsgeregelten IR-Heizpaneelen für den Komfortbetrieb, nannte er einerseits den Wegfall von Anheizzeiten. Andererseits ermöglicht der abgesenkte Wärmepumpenbetrieb bei günstigen Betriebsbedingungen sowie bei optimaler Auslegung lange Laufzeiten.

 

In der Diskussion zeigte sich, dass sich so ein System am ehesten für die energetische Sanierung im Geschosswohnbau eignet, da Eigentümer durch die geringeren Investitionen entlastet werden (siehe auch den Artikel Zum Abreißen zu schade in GEB 05/2023). Seitens des Infrarot-Verbands kam der Vorschlag, die eingesparte Investition für eine größere Photovoltaikanlage zu nutzen.

Lowtech-Genossenschaftsbau mit hoher Akzeptanz

Infrarotheizungen in Neubauwohnungen stellen eine evolutionäre Entwicklung als Reaktion auf steigende Wohnraumkosten dar. Ein Beispiel ist das Projekt K76 der werk.um Architekten aus Darmstadt, die mit ihrem genossenschaftlichen Finanzierungs- und Planungskonzept – Projektzeit 2014 bis 2017 – schon vor der Energiekrise wichtige Erkenntnisse über Lowtech-Gebäude und das dort praktizierte Infrarot-Heizsystem gesammelt haben.

 

Bei dem Projekt handelt es sich um ein Gebäude mit 14 Wohneinheiten plus einer Gemeinschaftswohnung. Die Wohnfläche beträgt 1.486 Quadratmeter, davon 65 Quadratmeter für gemeinschaftliches Wohnen. Die Baukosten betrugen etwas mehr als 2,6 Millionen Euro (ohne Tiefgarage), die spezifischen Kosten je Quadratmeter Wohnfläche 1.780 Euro.

 

Möglich wurden diese niedrigen Investitionskosten durch eine sehr rationelle Bauweise und den Verzicht auf ein klassisches zentrales Heizungs- und Warmwassersystem zugunsten von Infrarotheizpaneelen und dezentralen Durchlauferhitzern beziehungsweise Elektrokleinspeichern zur Warmwassererzeugung. Wann immer möglich wird für die IR-Heizung und die Trinkwassererwärmung der Strom einer 30 Kilowatt leistungsstarken Photovoltaikanlage auf dem Dach des Hauses genutzt. Aufgrund der 24 Zentimeter starken Wanddämmung wird eine Verbrauchsdeckung von etwa 38 Prozent erreicht.

 

Aufgrund des Wegfalls typischer Übertragungsverluste durch Brenner und Rohrleitungen, die bei klassischen Warmwasserheizungen etwa 50 Prozent betragen, steht bei einer dezentralen Lösung mit Strom aus Photovoltaik laut Thomas Lückgen von werk.um Architekten 100 Prozent Nutzenergie zur Verfügung. Eingebaut sind 130 IR-Heizelemente mit je 500 Watt Heizleistung, die eine maximale Heiztemperatur von 180 Grad Celsius entwickeln können. Laut EnEV liegt der Jahres-End- energiebedarf des Gebäudes bei 37 Kilowattstunden pro Quadratmetern der Jahres-Primärenergiebedarf bei 63 Kilowattstunden pro Quadratmeter.

 

Das K76-Projekt war Teil der Forschungsinitiative Zukunft Bau mit der Studie Potenzial von Infrarot-Heizsystemen für hocheffiziente Gebäude des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Zukunftsforschung. Folgende Erkenntnisse aus der Studie sprechen für die Weiterentwicklung der Infrarotheizung als Alternative zu einer konventionellen Warmwasserheizung:

  • Infrarotheizungen weisen gegenüber wassergeführten, in Heizestrich verlegten Fußbodenheizungen einen mindestens 50 Prozent geringeren Übergabeverlust auf.
  • Aus ökologischer Sicht kann ein Infrarot-PV-System – in Abhängigkeit von der Gebäudegröße und der Dämmqualität – gegenüber einem Luft-Wärmepumpensystem über einen Zeitraum von 50 Jahren deutliche Vorteile aufweisen.
  • Auch die Lebenszykluskosten – über 50 Jahre betrachtet – können für ein Infrarot-PV-System im Vergleich zu einer Luft/Wasser-Wärmepumpe deutlich niedriger ausfallen.

Fazit des werk.um-Architekten: „Die Infrarotheizung in Kombination mit dezentralen Warmwasserspeichern (Anmerkung: Es werden ausdrücklich keine Durchlauferhitzer empfohlen) und Photovoltaik sichern eine sehr gute, günstige und zukunftsfähige Wärmeversorgung.“ Lückgen rät jedoch von einer Flatrate ab, denn „Energie ist teuer“. Von Vorteil sei, dass Nutzer:innen einen direkten Einfluss auf den Energieverbrauch hätten.


Ob in enttechnisierten Wohnhäusern künftig eine Lüftungsanlage notwendig ist, müsse vor dem Hintergrund steigender Kosten überdacht werden. Eventuell reiche eine mechanische Badentlüftung aus. Lückgen räumt ein, dass aktuell gegenüber Bauwilligen noch eine hohe Überzeugungsarbeit für IR-Heizungen notwendig ist – auch, weil TGA-Planungsbüros solche Lösungen bisher aus Unkenntnis eher ablehnen.

Vollständige Energieautonomie durch Eigenstromversorgung

Bilanziell betrachtet kann fast jedes Gebäude in Deutschland seine eigene Energie für Heizung, Haushalt und Elektromobilität erzeugen. So lautete die These von Peter Kosack vom Pekohaus-Forschungsinstitut. Deshalb sei es müßig, allein auf Energieeinsparung zu setzen und weiter Energie zu importieren. Als zielführender bezeichnete er es bei der Konferenz, Energieimporte zu stoppen und die regenerative Eigenerzeugung von Strom weiter auszubauen, beispielsweise mit Photovoltaik.


Kosack sieht sich durch die Entwicklung der Energiestandards für Wohngebäude bestätigt: „Ab dem KfW-Effizienzhausstandard 40 Plus sind Gebäude in der Lage, bilanziell den Eigenbedarf an Energie jederzeit zu gewährleisten.“ Aufbauend auf den Erfahrungen von 30 Jahren Forschungsarbeit zu Energiesparkonzepten für Wohnhäuser an der Technischen Universität Kaiserslautern hat er vier Konzeptvarianten für energieautarke Wohngebäude entwickelt, davon drei Varianten mit Infrarotheizung. Bemerkenswert ist, dass sich Kosack bereits seit 2008 mit Infrarotheizungen beschäftigt.


Die Grundelemente seines Pekohaus-Konzepts bilden eine möglichst große PV-Anlage mit Stromspeicher zur Versorgung effizienter elektrischer Wärmelösungen, wie Wärmepumpen oder Infrarotheizungen, sowie von elektrischen Haushaltsgeräten und Elektroautos.


Eine für Bestandsbauten interessante und wirtschaftliche Lösung stellt die Ausführungsvariante mit Photovoltaikanlage, Infrarotheizsystem und Abluft-Wärmepumpe dar, wobei die Wärmepumpe die Grundlast für die Warmwasserheizung übernimmt und die Infrarotheizung die Komfortstufe. Mit dieser Kombination lassen sich auch temporäre Dämmdefizite kompensieren und damit eine stufenweise energetische Gebäudesanierung begünstigen. „Eine solche Lösung ist immer wirtschaftlicher als eine reine Wärmepumpenlösung“, sagt Kosack. Langfristig sei eine PV-IR-Lösung finanziell interessanter als eine singuläre Wärmepumpenheizung. Auch die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes ließen sich damit erfüllen.

Stufenweiser Übergang mit niedrigen Investitionskosten

Die folgende Vorgehensweise bei der energetischen Sanierung eines Reihenhauses in Stockach am Bodensee könnte als Vorbild und Blaupause für viele Eigenheimbesitzer dienen. Ausgangspunkt ist ein 1980 gebautes und 1994 vom jetzigen Besitzer bezogenes Reihenhaus mit Gas-Brennwerttherme. Die Heizlast liegt bei knapp zehn Kilowatt, der Jahres-Raumwärmebedarf bei 82,8 Kilowattstunden pro Quadratmeter.


In einem ersten Schritt wurden 2022 in sieben von elf Räumen präsenzgesteuerte Infrarotheizelemente installiert und die Heizung auf Grundlast zurückgeregelt. Gleichzeitig wurde eine kleine Brauchwasser-Wärmepumpe installiert. Die Maßnahme senkte den jährlichen Gasverbrauch um 8.000 Kilowattstunden, während sich der Stromverbrauch um 2.000 Kilowattstunden erhöhte. Mittelfristiges Ziel des Eigentümers ist eine energieautarke Lösung aus Grundlast-Wärmepumpe, Warmwasser-Wärmepumpe für die Trinkwassererwärmung, Infrarotpaneelen und Photovoltaikanlage.

Fazit des Autors

Rein technisch gesehen überzeugten die auf der Konferenz vorgestellten Lösungen. Dass womöglich die eine oder andere Anlage schöngerechnet ist, gehört zur Natur der Sache. Hemmend auf die Marktakzeptanz von Infrarotheizungen werden sich sowohl die noch fehlenden Normen und Richtlinien als auch eine noch ausstehende Qualitätsnorm für IR-Paneele auswirken. Auch mangelt es an ganzheitlichen Auslegungsprogrammen.


TGA-Planungsbüros stehen Infrarotheizungen aus mehreren Gründen noch skeptisch gegenüber, was dazu führt, dass die Hersteller von IR-Heizungen diese Aufgabe selbst übernehmen. Auch die Verankerung der Installation bei einem Fachhandwerk scheint noch nicht endgültig gelöst zu sein. Für Heizungsinstallateure handelt es sich um eine Elektroheizung, Elektroinstallateure sehen darin eher einen Fall für die Kollegen von der Heizungsseite.


Die Veranstaltung vermittelte jedoch den Eindruck, dass die Akteure den Markt für IR-Heizungen seriös und professionell vorbereiten, auch bezüglich Qualitätsstandards und Normung. Sollte Rifkin mit seiner Nullkosten-Prognose recht behalten, dann könnte sich aus dem heutigen Exoten innerhalb eines Jahrzehnts ein attraktives Lowtech- und Lowcost-Heizsystem entwickeln.

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